Es ist für mich schwierig, genau den Zeitpunkt zu identifizieren, an dem
mein Interesse an SM begann. Ich habe recht frühe (ca.15/16) Erinnerungen an
"Randbereiche": die Faszination, Frauen in Schuhgeschäften beim Ausprobieren
von (im Idealfall hochhackigen) Schuhen zuzuschauen, oder sexuelle Phantastereien, in
denen die erwachsenen Nachbarsfrauen die Haupt- bzw. aktive Rolle spielten und ich mehr
oder weniger vernascht wurde :). Zu diesem frühen Zeitpunkt war ich mir aber wohl nicht
über den SM-Aspekt der Angelegenheit bewußt. Was folgte, war eine stetige Annäherung an
das Thema, und eine wachsende Bewußtwerdung, welcher Art meine Phantasien eigentlich
waren. Das einzige "Ereignis", an das ich mich erinnern kann, und das ich grob
zeitlich einschätzen kann, geschah, als ich ungefähr 22 war: eine Freundin (auf der
Beziehungsskala zu diesem Zeitpunkt irgendwo in der Mitte zwischen "einer
Freundin" und "der Freundin" einzuordnen) besuchte mich, und preßte
zwischen ihrem Daumen und Zeigefinger den Sehnenbereich an der Hand zwischen meinem Daumen
und Zeigefinger zusammen, wohl bewußt, das dies schmerzhaft war, und in der Absicht,
Grenzen auszuloten. Ich weiß nicht mehr, wie ich damals konkret reagiert habe; was ich
weiß ist, daß ich einerseits den Vorgang genossen habe, und daß ich andererseits dies
vielleicht zugegeben hätte, wenn sie wirklich "die Freundin" gewesen wäre - so
aber kam das damals nicht in Frage. Über kurz oder lang wurde ich mir bewußt, daß ich
in meinen sexuellen Phantasien mit Vorliebe die Sub-Rolle ausfüllte; das ging so weit,
daß ich mir selbst Schmerzen zufügte. Dabei war meine eigene Haltung zu diesem Interesse
sehr zwiespältig: auf der einen Seite war es ein gewohntes Gedankenspiel, das ich z.B.
durch Anschaffung einschlägiger Literatur/Heftchen beflügelte; auf der anderen Seite
stand ich mit solchen Gedanken in meiner Umgebung anscheinend völlig allein, und fand
demzufolge das ganze "nicht normal". Ich habe nie Probleme damit gehabt, mich
dazu zu bekennen, anders zu sein als andere, und Gruppen und ihren konsolidierten
Ansichten gegenüber Distanz zu wahren; mein Interesse an SM ging aber doch über das
gewohnte Maß an "Anders-Sein" hinaus, und zusätzlich war es ein Phänomen,
dessen Intensität zeitlichen Schwankungen unterworfen war: ohne festen Rhythmus mal ein
oder zwei Monate mehr, und dann auch wieder einige Monate weniger, zum Teil
korrespondierend mit Beziehungen, die mich auf andere Gedanken brachten. Kurzum: meine
Neigungen in diesem Bereich wurden von mir in ein "Kästchen" im symbolischen
Sinne gepackt. Sie waren da, das war nicht zu leugnen; ich sah sie aber als Form der
Auslebung von Phantasien, und potentiell obsolet in dem Moment, in dem ich in einer
funktionierenden Zweierbeziehung aufgehen würde. Letztlich hatte ich erhebliche Zweifel,
ob diese Phantasien sich erfolgreich in die Realität übertragen lassen würden, selbst
angenommen, daß sich eine Gelegenheit dazu gefunden hätte - die mögliche Diskrepanz
zwischen Träumen, in denen die "Unannehmlichkeiten" alle wohl dosiert und genau
zum richtigen Zeitpunkt und in der richtigen Form kamen, und einer realen Situation, in
der nun nicht von echten Schmerzen hier, oder einem Jucken da, abstrahiert werden konnte,
war mir sehr bewußt. Ich unternahm daher keinerlei Anstalten, meine Phantasien in die
Realität umzusetzen.
Diese passive Handhabung des Themas (wenn man das so nennen kann) dauerte Jahre; sie
fand aber Mitte 1996 dann ihr Ende. Ende Juli 1996 bekam ich meinen privaten Anschluß ans
Internet. Das Internet führte innerhalb kurzer Zeit (weniger als 2 Monaten) zu einer
völligen Revision meiner Haltung gegenüber meinen eigenen SM-Phantasien. In den Jahren
zuvor hatte ich SM als etwas eingeordnet, das sich in meiner Phantasie und in
Unter-der-Ladentheke-Heftchen, die offensichtlich darauf ausgerichtet waren, aus den
Phantasien von Leuten wie mir Geld zu machen, abspielte. Nun wurde ich auf dem Internet
plötzlich damit konfrontiert, daß es jede Menge Leute gab, die nicht nur ähnliche
Phantasien wie ich hatten, sondern diese darüber hinaus akzeptierten und mit ebenso
orientierten Partnern auslebten; Leute, die sich mehr oder weniger öffentlich dazu
bekannten, und für die das mit Schmuddelsex nun überhaupt nichts zu tun hatte. Mir wurde
bewußt, daß meine Ablehnung meiner eigenen Phantasien durchaus voreilig gewesen sein
konnte.
Das Akzeptieren meiner eigenen sexuellen Vorstellungen war der erste Schritt; mir wurde
aber bald klar, daß ich mich auch beim Surfen im WWW weiterhin nur in einer Phantasiewelt
befand (wenn sie auch für andere real sein mochte). Um zu überprüfen, inwieweit diese
Phantasien für mich in Realität umzusetzen waren, benötigte ich den Kontakt zu (und die
Hilfe von) konkreten Personen. Dafür sah ich auf Anhieb zwei Ansatzpunkte:
Kontaktknüpfen über das Internet einerseits, und die Kontaktmöglichkeiten unabhängig
vom Netz in meiner unmittelbaren räumlichen Umgebung. Fangen wir mit dem fehlgeschlagenen
Versuch an. Um mich in der Sub-Position selber zu erfahren, buchte ich einen Termin mit
einer Frau, die in einem unserer Stadtblättchen als professionelle Domina inserierte
(nebenbei bemerkt auch meine erste eigene Erfahrung mit bezahltem Sex). Das Ergebnis war
völlig unbefriedigend: anstatt überzeugend Dominanz zu verkörpern, vermittelte diese
Frau den Eindruck, nach Durchlauf eines 1-wöchigen SM-Technik-Kurs vom Beruf der normalen
Prostituierten ins trendy Domina-Milieu umgeschwenkt zu sein. Das ganze Szenario wirkte
als Pflichtübung, Schläge waren so gut wie rein symbolisch, und andauernd wurde ich
gefragt, ob es mir denn so auch recht sei, oder ob ich lieber dieses oder jenes wollte.
Vielleicht tue ich dieser Frau Unrecht: ich hatte mich im Vorfeld als Anfänger zu
erkennen gegeben, war recht nervös, und es mag ihre Angst gewesen sein, mich zu
überfordern, die sie inkompetent erscheinen ließ. Meine Konsequenz daraus war jedenfalls
der Entschluß, das professionelle Milieu vorerst zu ignorieren, und ausschließlich
Kontakte zu Leuten zu suchen, die SM aus eigener Überzeugung und nicht aus finanziellen
Interessen heraus betrieben.
Umso erfolgreicher im Vergleich waren meine Versuche, über das Internet zu Kontakten
zu kommen. Anfang November besorgte ich mir mIRC32 und stürzte mich ins Chatten über
IRC. Der erste Channel, auf dem ich Stammgast wurde, war der #femdom-Channel im UnderNet.
Dies lag im wesentlichen daran, daß ich zum einen auf dem WWW schon jede Menge Hinweise
darauf gesehen hatte, zum zweiten, daß dies nun genau das Thema war, das mich am meisten
interessierte, und daß ich zum dritten zu diesem Zeitpunkt von der Existenz eines
deutschen Channels noch nichts wußte. Daß die Sprache auf #femdom Englisch war, war für
mich nur ein geringeres Handicap. Ich denke, daß die Gespräche auf #femdom bei mir die
letzten Hürden abgebaut haben. Die offene, freundschaftliche Form, mit der das Thema dort
behandelt wurde, wenn man sich erst einmal als nicht-HNG ("horny net geek")
eingeführt hatte, beeindruckte mich und war sehr hilfreich.
Eines allerdings wurde dann doch sehr deutlich: die Stammgäste von #femdom sind zu 80%
Amerikaner, zu weiteren 15% Leute aus englischsprachigen Ländern wie England, Kanada oder
Australien, und der kleine Rest war geographisch weit verstreut, so daß Deutsche wie ich
die Ausnahme waren. #femdom war und ist für mich ein guter Channel für Gespräche; für
RL-Kontakte dagegen gab er für mich nichts her. Anfang Dezember fing ich also an, gezielt
nach deutschen Alternativen zu #femdom zu suchen, und landete auch innerhalb relativ
kurzer Zeit dann bei #bdsm.de. So ungefähr das einzige, was ich an dem Channel nicht mag,
ist das, was er meiner Telefonrechnung antut; IRC ist halt suchterzeugend. Auf diesem
Channel fühlte ich mich von Anfang an wohl, und vor allem: dort waren Leute, die nicht
nur anonym rumalbern wollten, sondern die offensichtlich Spaß daran hatten, ihre
IRC-Gesprächspartner auch mal im wirklichen Leben kennenzulernen. Und noch praktischer
für mich: eine Art halboffizieller Treffpunkt dieser Leute war eine SM-Fete in Köln
namens Carpe Noctem, nur ca. 80 km von mir entfernt. So tauchte ich dann am 1.2.97 auf der
Carpe Noctem auf - ein halbes Jahr vorher hätte ich meine Anwesenheit auf einer SM-Party
noch für sehr unwahrscheinlich gehalten :). Und ich wäre wohl auch nicht hingegangen,
wenn da nicht die Leute vom Channel gewesen wären; diese mal zu treffen war mein
Hauptinteresse, und mit mehr als 20 anwesenden Leuten vom Channel war das auch
erfolgreich. Die Leute selbst waren als Gruppe wie erwartet: ne bunt gemischte Truppe
unterschiedlichster Personen, nett und mehr oder weniger aufgeschlossen. Daß sich das
Bild, das ich mir von den jeweils einzelnen auf dem Channel gemacht hatte, ändern würde,
war mir vorher schon klar gewesen, und natürlich gab es sowohl positive als auch negative
Verschiebungen auf der jeweiligen individuellen Sympathieskala. Die Party als solche, oder
besser gesagt, das öffentliche Spielen war natürlich ausgesprochen interessant für
mich. Es war schon ungewohnt, als Zuschauer bei der Auslebung der sexuellen Phantasien
anderer Leute zugelassen zu sein, soweit sich diese nicht hinter den zugezogenen
Vorhängen abspielten. Dabei hatte bei dieser ersten Party das Zuschauen selbst kaum
direkte sexuelle Reize ausgelöst, sondern war im wesentlichen als Anschauungsunterricht
über SM-Techniken von Reiz. Spätere Parties haben dann allerdings meine damalige
Einschätzung, ich hätte überhaupt keine Eignung zum Voyeur, wieder etwas relativiert:
wenn ich mich sehr gut in ein Spiel reindenken kann, weil es meinen Vorlieben entspricht,
dann hat das Zuschauen schon einen erotischen Reiz für mich.
M, 45 |